Leben mit AHC

Leben mit Alternierender Hemiplegie

Leben mit Alternierender Hemiplegie bedeutet, dass die Patienten, ihre Familie und alle Menschen im Umfeld des Patienten sich permanent auf unvorhersehbare Situationen einstellen müssen. Die Entwicklung eines Kindes ist ab der Geburt und je nach Schwere der neurologischen Attacken und anderer Begleitsymptome (z.B. Epilepsie) stark beeinträchtigt. Das unkontrollierte Auftreten der Paralyse behindert die körperliche Entwicklung und erfordert viel Energie für das Lernen. Fähigkeiten, die ein Kind selbstständig erlernt, z.B. das Laufen, werden kontinuierlich durch Paralyse unterbrochen. Da an AH leidende Kinder sich nicht auf ihren Körper verlassen können, treten oft psychische Probleme auf. Weil Intensität und Dauer der Anfälle nicht vorhersehbar sind, stellen sie für alle Betreuungspersonen eine Belastung dar, die eine konstante und aufmerksame Überwachung und fexible Anpassung an die plötzlichen Änderungen des Gesundheitszustandes des Patienten erfordern.

Mit Aktivitäten muss unterschiedlich und in Abhängigkeit von bestehender oder fehlender Paralyse umgegangen werden. Betroffen sind nicht nur tägliche Dinge, die Mobilität erfordern, z.B. Gehen, Selbstversorgung, Kontinenz, Sprechen, Essen, Schlucken und Aspirationsgefahr (versehentliches Einsaugen von Nahrungsmittel-Partikeln oder Flüssigkeiten in die Lunge) sondern auch Aktivitäten, die geistige Funktionen erfordern, z.B. die Fähigkeit, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, was für das Weiterkommen in der Schule wichtig ist.

„Eine gute Schulbildung war von Anfang an eine große Herausforderung. Wir haben bei lokalen Behörden Hilfe gesucht, um unserer Tochter entsprechend ihren Bedürfnisse unterzubringen, aber jedes Mal haben wir die Schule schließlich durch Freunde und Nachbarn gefunden, die Erfahrungen mit der Schule gemacht hatten. Obwohl unsere Tochter keine Gehörprobleme hat, geht sie in eine Förderschule für Kinder mit Gehörproblemen – diese bietet einfach kleine Klassen und hat unsere Tochter aufgenommen.“

Elternteil eines Kindes mit AH, Österreich

Die Fähigkeit, diese alltäglichen Funktionen durchzuführen, variiert stark, ist von der Tagesverfassung des Kindes abhängig und erfordert von Betreuungspersonen und Lehrern viel Geduld und Flexibilität. Es kann einige Zeit dauern, bis die Lehrer mit allen Bedürfnissen eines Schülers mit AH vertraut sind. Betreuende Fachleute müssen sich auch die Zeit zur Entwicklung der angemessenen Behandlung für die Patienten nehmen, die vielfältige und individuelle Bedürfnisse haben. Die beste Informationsquelle für diese individuellen Bedürfnisse sind oft die Eltern eines Patienten. Aus diesen Gründen ist es besonders wichtig, dass Patienten an Selbsthilfegruppen teilnehmen, in denen sie von den Erfahrungen anderer Familien mit Kindern mit AH lernen und in denen sie die erforderliche Ermutigung durch diese erfahren können. Manchmal sind die Eltern die besten Experten für die Bedürfnisse ihres Kindes, daher sind sie unverzichtbare Partner von Ärzten, Lehrern und Betreuern von AH-Patienten.

Insgesamt benötigte jeder AH-Patient im Durchschnitt neun verschiedene medizinische Leistungen, je nach Erkrankung (gleicher Durchschnitt wie bei den 16 anderen untersuchten Seltenen). Zusätzlich zu den Arztbesuchen wurden häufig Besuche bei Kinderärzten (39%), Rehabilitationsmedizinern (30%), in Notfallambulanzen (30%) und bei Orthopäden (29%) erforderlich. Die häufigsten erforderlichen Untersuchungen waren biologische Untersuchungen (56%), Elektroenzephalogramme (47%), Röntgenuntersuchung sowie bildgebende Spezialverfahren (20 %). Andere Betreuungsarten beinhalteten Zahnbehandlungen (52%), Physiotherapie (51%), Brillen (39%), Psycho-mobilitäts-Therapie (32%), Sprechtherapie (29%) und Krankenpflege (27%). Für 49% der Patienten waren Krankenhausaufenthalte mit einer Dauer von durchschnittlich 15 Tagen erforderlich.

Fehlender Zugang zu medizinischen Leistungen für 18% aller AH-Patienten.

Am häufigsten wurde von fehlendem Zugang zu medizinischen Leistungen der Kardiologie (63%) und Sprechtherapie (24%), jedoch auch zu denen der Psychotherapie (12%) und Neurologie (2%) berichtet. Fehlende Überweisungen wurden als häufigste Zugangsbarriere für alle Leistungen genannt: Neurologie (100%), Kardiologie (80%), Sprechtherapie (71%) und Psychotherapie (50%). Nichtverfügbarkeit stellte die Hürde dar für Leistungen der Psychotherapie (25%) und Sprechtherapie (14%). Eigenkostenanteil (25%) und Wartezeiten (25%) waren ebenfalls Hürden für den Zugang zu Psychotherapie-Leistungen.

Der Zugang zu medizinischen Leistungen war in 14% aller Fälle schwierig.

Trotz der bestehenden Möglichkeit beschrieben die Patienten den Zugang zu Psychotherapie (21%), Neurologie (19%), Kardiologie (13%) und Sprechtherapie (10%) als schwierig. Eine unzureichende Anzahl von Terminen wurde für Psychotherapie (28%), Neurologie (13%) und Sprechtherapie (9%) genannt. Der Eigenkostenanteil für Psychotherapie (44%) wurde als exzessiv bezeichnet. Professionelle Unterstützung für Fahrten zu Betreuungszentren wurde bereitgestellt für Sprachtherapie (29%), für Psychotherapie (17%) und nur für 13% der Fälle von neurologischen Arzt-besuchen, trotz der Tatsache, dass Termine bei Neurologen, im Vergleich zu anderen Leistungen, in einer anderen Region häufiger waren.

Insgesamt waren 88% der Patienten der Ansicht, dass die medizinischen Leistungen, wenn sie erbracht wurden, ihren Erwartungen voll oder teilweise entsprachen. Weniger zufrieden waren die Patienten mit den Leistungen bei Arztbesuchen in der Neurologie (87%) und Psychotherapie (87%) im Vergleich zur Kardiologie (100%), Sprachtherapie (100%).

Von den 39 Familien, die soziale Betreuung benötigten, fanden 3% keine Sozialarbeiter und 21% nur mit Schwierigkeiten. Bei erfolgreichem Kontakt betrug der Zufriedenheitsgrad mit der sozialen Unterstützung insgesamt 57%, der niedrigste Prozentsatz lag bei 22% für technische Spezialunterstützung und der höchste bei 62% für außergewöhnliche finanzielle Unterstützung.

AH-Patienten erfuhren Ablehnung durch Mitarbeiter des Gesundheitswesens mit insgesamt der gleichen Häufigkeit (19%) wie die Umfrageteilnehmer der anderen analysierten Fälle von seltenen Erkrankungen (18%). Von Zurückhaltung bei den Mitarbeitern des Gesundheitswesens, wegen der Komplexität der Erkrankung, wurde von 100% der abgelehnten Patienten berichtet. Auch wegen persönlicher Aspekte, einschließlich Kommunikationsschwierigkeiten (7%) und erkrankungsbedingten Verhaltens (7%) wurden Patienten abgelehnt. Selbst wenn die Ablehnung eher auf die Erkrankung als auf den Patienten bezogen war, wurde das Ausmaß jedoch als Ablehnung der Mitarbeiter des Gesundheitswesens wahrgenommen, AH-Patienten zu behandeln.

 

„Ich habe aufgehört zu arbeiten, hauptsächlich um mich um meine Tochter, die Alternierende Hemiplegie hat, zu kümmern.“

Eltern eines Kindes mit AH, Österreich

Infolge der Erkrankung mussten 26% der Patienten umziehen. Von diesen mussten 70% in ein behindertengerechtes Haus ziehen, 20% zogen in die Nähe von Verwandten und 15% in die Nähe eines Spezial-Behandlungszentrums. Infolge der Erkrankung mussten 71% der Familienmitglieder ihre Berufstätigkeit reduzieren oder aufgeben, um sich um ein erkranktes Familienmitglied zu kümmern.

Ohne Unterschied zum Gesamtmeinungsbild der befragten Patienten, bezeichneten die Befragten mit AH folgende vier Funktionen eines Kompetenzzentrums für seltene Erkrankungen als am wichtigsten:

  • Koordination des Austauschs der medizinischen Informationen über den Patienten zwischen dem gesamten Fachpersonal des sie/ihn behandelnden Kompetenzzentrums
  • Kommunikation mit anderen Spezialzentren und professionellen Netzwerken zur Harmonisierung / Koordination von Behandlungen und Forschung auf nationaler und europäischer Ebene
  • Koordination des Austauschs der medizinischen Informationen zwischen den Fachleuten der Spezialzentren und den lokalen Fachleuten zur Erleichterung der Kontinuität der Verlaufskontrolle für den Patienten
  • Zusammenarbeit mit Forschungsteams, die mit seltenen Erkrankungen arbeiten (insbesondere an klinischen Studien)

Da AH normalerweise im frühen Kindesalter beginnt, benötigen die Patienten lebenslang ärztliche Behandlung. Plötzliche Änderungen, die von bestehender oder fehlender Paralyse abhängen, erfordern konstante, aufmerksame Überwachung durch alle Personen des Umfeldes des Kindes, Lehrer eingeschlossen. Diese Aspekte der Krankheit schlugen sich in der Tatsache nieder, dass die Umfrageteilnehmern mit AH die Punkte „Erleichterung der Verlaufskontrolle für den Patienten in verschiedenen Stadien seines Lebens durch die Erleichterung des Übergangs von pädiatrischer zu Erwachsenen-Versorgung oder von Erwachsenen-Versorgung zu geriatrischer Versorgung” und „Information des Patienten bezüglich seiner Rechte und Führung zu Sozialdiensten, Schulen, Freizeitaktivitäten oder zu Berufsberatung usw.“ an 5. und 6. Stelle in der Prioritätenliste mit höchster Wichtigkeit benannten.

Diese Erkenntnisse entsprechen ebenfalls dem größeren Bedarf an sozialen Leistungen, von dem AH-Familien, im Vergleich zur Gesamtzahl der Befragten berichteten. Umfrageteilnehmer mit AH bemerkten öfter, dass “die Haupthürde bei der Anreise zu Spezialzentren in der Zeit bestehe, die man benötigte, dorthin zu gelangen und / oder in physischen Problemen des Patienten (Schmerz, Müdigkeit und Verletzungen)“, verglichen mit der Gesamtgruppe der Umfrageteilnehmer. Teilnehmer mit AH betonten auch häufiger die Wichtigkeit folgender Aussage bezüglich der Einrichtung eines Kompetenzzentrums: „Es wäre vorzuziehen, dass die Konzentration von Know-how und Kompetenz statt in einem einzigen Zentrum auf mehrere verteilt würde, weil diese für die Patienten zugänglicher wären.“

Alternierende Hemiplegie ist eine schwere und komplexe Erkrankung, die mit paroxysmalen und permanenten sensomotorischen und psychointellektuellen Symptomen einhergeht. Folglich müssen die erforderlichen medizinischen und sozialen Gesundheitsleistungen vielfältig, integriert, koordiniert und kontinuierlich sein. Jeder Patient benötigt regelmäßige Routineuntersuchungen (z. B. neurologische, neurophysiologische, neuroophthalmologische, neurorehabilitative, neuropsychologische, genetische, metabolische, orthopädische, spezielle technische Unterstützung). Es ist natürlich bequemer, aber auch für die Koordination und die Erforschung in alle möglichen Richtungen erforderlich, dass die Behandlungen in einer einzigen multidisziplinären Fachklinik stattfinden.

Im Allgemeinen ist das Wissen der Ärzte über diese Erkrankung nicht sehr ausgeprägt. Diagnose-, Therapie- und medizinische Protokolle gibt es selten. Jede Überweisung hängt von der Bewertung des Arztes ab. Patienten müssen oft viele Fachärzte „ausprobieren“, um denjenigen zu finden, der sich mit dieser Erkrankung auskennt und sie angemessen behandeln kann. Um Leistungen in Anspruch nehmen zu können, müssen alle Patienten begleitet werden (normalerweise durch Familienmitglieder).

Im Allgemeinen stehen medizinische Dienste AH-Patienten im Kindesalter besser zur Verfügung. Mit zunehmendem Alter nimmt die Verfügbarkeit angemessener Leistungen so sehr ab, dass Pflege für Erwachsene mit AH nahezu nicht existent ist (insbesondere Rehabilitation und sozialpädagogische Intervention).

Patienten erfahren oft Abweisung, weil das Wissen über diese extrem seltene Erkrankung fehlt. Am häufigsten entsteht die Ablehnung aus fehlender Koordination zwischen den sozialen und medizinischen Diensten. Beispielsweise werden Patienten oft von Rehabilitationszentren, in denen es Leistungen für Physiotherapie, Sprechtherapie, psychologische Hilfe usw. gibt abgewiesen. Denn häufig und kurzfristig können AH-Patienten Behandlungstermine infolge plötzlich auftretender Krisen nicht wahrnehmen, was wiederum zu hohen Betriebskosten für diese Zentren führt.

Zusätzlich zu der allgemein knapp bemessenen Zeit schränken sich Sozialarbeiter noch zusätzlich ein, indem sie strikt die minimalen spezifischen Anforderungen für AH-Patienten erfüllen, nicht selten nach vielen unablässigen Aufforderungen. Sehr oft haben Familienmitglieder keine andere Wahl, als den Beruf aufzugeben. Eine bessere Koordination zwischen den sozialen und medizinischen Dienstleistern würde es den Sozialarbeitern ermöglichen, mehr Wissen zu erwerben und so aktiv soziale Dienste vorzuschlagen, auf die AH-Patienten ein Anrecht haben.

Der Großteil dieser Skripte entspricht einer Übersetzung eines vor Jahren erstellten Flyers der Europäischen Association for Research on Alternating Hemiplegia (ENRAH) und basierte vorrangig auf Daten der italienischen Elterninitiative Associazione Italiana per la Sindrome di Emiplegia Alternate und z.T. auch auf denen von Mitgliedern der deutschen Vereinigung Alternating Hemiplegia of Childhood Deutschland e.V.
Einige Aspekte, wie z.B. die erst nach der Erstellung des ursprünglichen Dokumentes bekanntgewordene genetische Ursache, wurden ergänzt.

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